Als Außenseiter zur EM nach Serbien

Der Deutschen Nationalmannschaft gehen vor der Europameisterschaft in Serbien die Führungsspielerinnen aus. Dass Stefanie Melbeck wegen eines Muskelfaserrisses fehlen wird, ist bereits seit Ende Oktober bekannt. Einen Monat später folgte die nächste Hiobsbotschaft: Auch Kapitänin Isabell Klein, die sich nach einem Kreuzbandriss toll zurückgearbeitet hat, muss aufgrund eines Mittelhandbruchs zu Hause bleiben. Einige Tage später erlitt auch noch Rückraumspielerin Susann Müller einen Meniskusriss im rechten Knie. ,,Das sind für uns dramatische Rückschläge, sagte Bundestrainer Heine Jensen. ,,Wir waren auf einem wirklich guten Weg, aber jetzt haben wir eine völlig andere Ausgangssituation und müssen uns neu formieren. Trotzdem müssen wir unsere Aufgabe lösen. Jammern hilft uns nicht weiter." Auch Torhüterin Katja Schülke gibt sich kämpferisch: „Wir verlieren Führungspersonen. Das ist für die Mannschaft nicht einfach. Wir müssen nun alle enger zusammenrücken.“ Zur neuen Kapitänin wurde Torfrau Clara Woltering ernannt. ,,Clara bringt sehr viel Emotionalität in die Mannschaft. Genau diese Energie brauchen wir jetzt“, erklärte Bundestrainer Heine JensenDie fehlende StabilitätVon einer Spitzenmannschaft, so scheint es jedenfalls, ist die Deutsche Nationalmannschaft ohnehin weit entfernt. Bei der letzten Europa- und Weltmeisterschaft war bereits in der Vorrunde Schluss. „In den meisten Spielen zeigen wir phasenweise eine richtig gute Leistung. Uns fehlt noch die Stabilität“, lautet die Erklärung von Heine Jensen. Bei der Weltmeisterschaft 2011 in Brasilien siegte die DHB-Auswahl im ersten Gruppenspiel gegen den späteren Weltmeister Norwegen und baute in den folgenden Spielen stark ab. „Wir haben in der Mannschaft besprochen, was zuletzt alles schief gelaufen ist“, so Schülke. „Wir müssen uns nun als Team mehr unterstützen, auf unsere Stärken achten und uns auch gegenseitig einmal in den Arsch treten.“ Schwere Aufgaben in der VorrundeMit dem Olympiadritten Spanien, Ungarn und Kroatien hat die DHB-Auswahl in der Gruppe C schwierige Gegner. „Spanien spielt in dieser Konstellation schon lange zusammen und hat zudem starke Individualistinnen“, so Heine Jensen. Auch gegen Ungarn und Kroatien seien laut dem Bundestrainer Top-Leistungen notwendig. „Vielleicht muss man drei Punkte holen, um weiterzukommen“, ergänzt Katja Schülke. Dass es gleich im ersten Spiel gegen den vermeintlich stärksten Gegner Spanien (4. Dezember) geht, ist laut Heine Jensen nicht weiter relevant: „Wenn wir gewinnen, war es ein Vorteil. Wenn wir verlieren, war es ein Nachteil. Letztendlich spielt die Reihenfolge der Gegner keine Rolle. Wir müssen gegen jede Mannschaft spielen.“ Eine Zielsetzung, wie die Mannschaft abschneiden muss, wird beim DHB nicht vorgegeben. Nach den desolaten Leistungen bei den letzten Großturnieren habe man ohnehin keinen Grund, die Klappe aufzureißen, stellt Jensen klar. Ein Sieg alleine bedeutet nichtsMöglicherweise, und das macht den deutschen Handball-Fans vielleicht Hoffnung, hat die Nationalmannschaft aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. „Meine Spielerinnen wissen nun, dass ein einziger Sieg noch keine Bedeutung hat.“, so Jensen. Katja Schülke äußert sich ähnlich. „Wir dürfen nach einem Sieg nicht mehr allzu lange daran festhalten, sondern müssen sofort den Schalter umlegen und an das nächste Spiel denken. Das wird unsere größte Herausforderung sein.“ Bundestrainer Heine Jensen im Kurzinterview Herr Jensen, welche Erkenntnisse haben Sie aus den beiden Testspielen gegen Rumänien (25:28, 30:9) gezogen?
Jensen:
 „Im ersten Spiel hat unser Angriff weitestgehend gut funktioniert. Wir haben uns viele Chancen erarbeitet. Nur mit unserer Chancenauswertung waren wir nicht ganz zufrieden. Im zweiten Spiel wollten wir besonders in der Abwehr noch mehr agieren, nicht nur stehen und warten. Das hat gut geklappt. Wir haben eine 6-0 und 5-1 Deckung, die gut funktioniert, sofern wir hart arbeiten. Auch die Chancenauswertung hat im zweiten Spiel besser geklappt. Wenn wir konzentriert zu Werke gehen, können wir gute Spiele machen.“ Es gab nur 9 Gegentore im zweiten Spiel. Sie haben kürzlich gesagt, die Mannschaft habe starke Torhüterinnen und es sei wichtig, dass auch die Defensive gut steht. War das zweite Spiel gegen Rumänien der erhoffte Schritt in die richtige Richtung?
Jensen:
 „Man darf nicht vergessen, dass die Rumänen im zweiten Spiel auch ein paar Spielerinnen geschont haben. Trotzdem sind lediglich 9 Gegentore natürlich eine gute Leistung. Wenn wir in der Abwehr mit der richtigen Einstellung zu Werke gehen, können wir unseren Gegnern das Leben schwer machen.“ Aus der Deutschen-Nationalmannschaft werden viele Experten nicht schlau. Starken Leistungen wie gegen Ungarn in der WM-Quali oder dem Vorrundensieg gegen den späteren Weltmeister Norwegen bei der WM 2011 standen Aussetzer gegen vermeintlich schwächere Mannschaften wie Island gegenüber…
Jensen:
 „…Die Meinung, man müsse gegen diese Mannschaften locker gewinnen, ist leider weit verbreitet. Das stört mich sehr. Natürlich möchten wir jedes Spiel gewinnen – egal wer der Gegner ist. Aber wir sollten auch vor jeder Mannschaft Respekt haben.“ Welche Nationen sind bei der EM die Favoriten?
Jensen:
 Frankreich hat eine sehr starke Mannschaft. Norwegen ist zudem eine Turniermannschaft, die immer stärker wird. Aber auch Serbien ist aufgrund des Heimvorteils nicht zu unterschätzen. Letzte Frage: Bekommen die Großturniere der Frauen verglichen mit den Männern zu wenig Aufmerksamkeit?
Jensen:
 „Dazu habe ich keine Meinung. Es ist so wie es ist. Wir können es nur beeinflussen, indem wir erfolgreich Handball spielen.“ „