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Dierk Schmäschke: Wir brauchen im Handball mehr Persönlichkeiten““

Seit 2011 ist Dierk Schmäschke Manager der SG Flensburg-Handewitt. Im exklusiven HANDBALL.DE Interview spricht er mit Mitarbeiter Oliver Jensen über Titelambitionen, die Konkurrenzsituation mit dem THW Kiel und fehlende Persönlichkeiten. HANDBALL.DE: Herr Schmäschke, vor Saisonbeginn sagten Sie, man würde daran arbeiten, einen Titel nach Flensburg zu holen. Klappt es dieses Jahr? 
Schmäschke: Wir wollen jedes Jahr einen Titel holen. Dazu gibt es drei Möglichkeiten. Noch sind wir in allen Wettbewerben dabei. Die Deutsche Meisterschaft ist noch nicht entschieden. Wenn Kiel noch ein oder zweimal strauchelt und wir alles gewinnen, bleibt es spannend. Wir stehen zudem im DHB Final Four. Und als Achtelfinalist der Champions League haben wir die Möglichkeit, auch das Final Four in Köln zu erreichen. Aber unsere Maxime ist es, von Spiel zu Spiel zu denken.“ HANDBALL.DE: Haben Sie das Gefühl, dass das Umfeld von Flensburg langsam unruhig wird, wenn nicht bald wieder ein Titel herausspringt?
Schmäschke: „Der Wunsch ist immer da. Und Flensburg hat ja auch schon einige Titel gewonnen. Das Umfeld und die Fans können unsere Möglichkeiten realistisch einschätzen. Wir haben einen ungewöhnlich gut arbeitenden Trainer, eine funktionierende Mannschaft und ein tolles Umfeld. Aber es gibt eben einige Vereine mit einem höheren Etat. Daher ist es für uns immer schwierig.“HANDBALL.DE: Aufgrund der Verletzungsmisere im linken Rückraum wurde kürzlich Goran Bogunovic verpflichtet. Wie sind Ihre ersten Eindrücke? 
Schmäschke: „Er passt gut in das Team und macht einen guten Eindruck. Er wird uns mit Sicherheit helfen. Ob er langfristig bei uns bleibt, können wir noch nicht sagen. Erstmal hat er einen Vertrag bis zum Sommer.“ HANDBALL.DE: Eine Vertragsverlängerung ist aber nicht ausgeschlossen? 
Schmäschke: „Noch ist es zu früh, um über so etwas zu sprechen. Ein Spieler braucht eine gewisse Zeit, um sich zurecht zu finden.“ HANDBALL.DE: Der Champions League Sieger HSV ist laut Präsident Andreas Rudolph ein Sanierungsfall. Auch andere Vereine beklagen einen Zuschauerrückgang. Steckt der deutsche Handball in einer Krise? 
Schmäschke: „Nach der Weltmeisterschaft 2007 hat es eine Boom-Zeit gegeben. Ich denke, dass sich nun einiges normalisiert. Der Handball ist nach wie vor, zumindest in meinen Augen, die führende Mannschaftssportart in Deutschland nach Fußball. Aber wir alle, von der Nationalmannschaft bis zu den Vereinen, müssen darüber nachdenken, wie wir noch mehr in den Fokus geraten. Die negativen Schlagzeilen sind natürlich nicht hilfreich.“ HANDBALL.DE: Wird der deutsche Handball also zu negativ dargestellt? 
Schmäschke: „Es ist doch so: Wir haben den größten Handballverband der Welt und die beste Liga der Welt. Wir spielen in tollen Hallen. Mit den großen Arenen und zum Beispiel dem Final 4 in Hamburg und Köln haben wir einen überregionalen Ansatz. Aber natürlich geht da noch mehr.“ HANDBALL.DE: Was können die Vereine unternehmen, um noch mehr in den Fokus zu geraten? 
Schmäschke: „Regional ist der Handball bereits gut vertreten. Überregional benötigen wir allerdings noch mehr Wahrnehmung. Dazu müssten noch mehr Stars in den Fokus geraten. Es fehlen einfach Typen wie früher Stefan Kretzschmar. Pascal Hens ist noch so jemand. Aber wir brauchen noch mehr Persönlichkeiten in unserem Sport. Der Handball hat zwar Persönlichkeiten, aber die gehören noch mehr in den Fokus gerückt.“ HANDBALL.DE: Ist das von den Vereinen überhaupt erwünscht? Auch wir von HANDBALL.DE haben schon die Erfahrung gemacht, dass kernige Aussagen der Spieler von den Pressestellen gerne gestrichen werden, um bloß keine Unruhe aufkommen zu lassen. 
Schmäschke: „Das kann ich nicht beurteilen. Ich selbst habe es in Hamburg und auch jetzt in Flensburg immer begrüßt, wenn Handballer eine eigene Persönlichkeit haben. Das sind ja mündige Menschen. Und solange zum Beispiel eine öffentliche Kritik auf einer sachlichen Ebene bleibt, ist das für mich okay.“ HANDBALL.DE: Hat Flensburg in der öffentlichen Wahrnehmung ein Vorteil, weil es in der Stadt keine Konkurrenz im Profisport gibt? Vereine wie der HSV oder Berlin stehen hingegen in direkter Konkurrenz zu Fußball, Basketball- oder Eishockeyvereinen. 
Schmäschke: „Auf jeden Fall. Der Handball hat hier eine ganz große Tradition. Nicht nur in Flensburg, sondern allgemein in Schleswig-Holstein. Andererseits kann eine Konkurrenzsituation auch ein zusätzlicher Antrieb sein, um noch kreativer zu werden, neue Ideen zu entwickeln, Zuschauer auf eine andere Art anzusprechen und die Mannschaft noch mehr in den Fokus zu rücken. Auch wir haben eine Konkurrenzsituation. Nur nicht innerhalb von Flensburg, sondern innerhalb von Schleswig-Holstein mit dem THW Kiel.“ HANDBALL.DE: Der Saisonetat der SG Flensburg-Handewitt soll bei rund sechs Millionen Euro liegen. Lässt sich das in den nächsten Jahren ausbauen, um dem THW Kiel auch finanziell näher zu kommen? 
Schmäschke: „Natürlich ist es immer unser Bestreben, den Etat zu vergrößern. Das haben wir die letzten Jahre gut gemacht. Aber ich werde jetzt nicht öffentlich über ein Etat von acht Millionen Euro nachdenken, wenn wir gerade daran arbeiten, uns sicher im Bereich von sechs oder 6,5 Millionen Euro zu bewegen. Das wäre fahrlässig." HANDBALL.DE: Ist in Flensburg damit zu rechnen, dass die kommende Saison schwieriger wird als die aktuelle? Mit Michael Knudsen, Sörenn Rasmussen, Olafur Gustafsson und vor allem Steffen Weinhold wird es schwerwiegende Abgänge geben. 
Schmäschke: „Jeder Spieler, der lange bei einem Verein gespielt hat, muss zunächst einmal ersetzt werden. Natürlich sind Spieler wie Weinhold oder Knudsen ein großer Verlust. Aber wir haben bereits Spieler verpflichtet, von denen wir uns erhoffen, dass sie über kurz oder lang ein ähnliches Niveau erreichen." HANDBALL.DE: Trotzdem: Hat der Fall Steffen Weinhold einmal mehr bewiesen, dass Flensburg machtlos ist, wenn der THW Kiel an einem Spieler interessiert ist? 
Schmäschke: „Nein. Viele Spieler in Flensburg haben bereits Angeboten aus Kiel widerstanden. Aber natürlich ist es für einen Spieler interessant, sich mit so einem Angebot zu beschäftigen. Genauso wie es für Spieler anderer Vereine interessant ist, sich mit einem Angebot von uns zu beschäftigen." HANDBALL.DE: Die SG Flensburg-Handewitt möchte allerdings nicht nur Spieler dazukaufen, sondern auch selber Akteure ausbilden. Sehen Sie sich da auf einem gutem Weg? 
Schmäschke: „Absolut. Wir haben im letzten Jahr einiges in der Jugendabteilung verändert. Maik Machulla wird als rechte Hand von unserem Trainer Ljubomir Vranjes agieren und vor allem mit jungen Spielern arbeiten. Das geschieht zum Teil bereits jetzt in Abstimmung mit unserem Jugendförderverein. Ich bin mir sicher, dass wir mittelfristig einige Spieler aus unserem Nachwuchs bei den Profis sehen werden. Auch jetzt haben wir bereits viele junge Spieler im Team. Es ist eine gute Mischung aus Jung und Alt.“ HANDBALL.DE: Letzte Frage: HSV Präsident Andreas Rudolph sagte kürzlich, man habe Ihren Weggang im Jahre 2011 nie so richtig verkraftet. Macht Sie diese Aussage stolz? 
Schmäschke: Natürlich. Das ist eine Anerkennung meiner Arbeit. Ich habe in Hamburg gerne gearbeitet und hatte auch zu Andreas Rudolph immer ein gutes Verhältnis. Aber nun ist es wichtig, dass der HSV wieder in ein ruhiges Fahrwasser gerät. Ich bin sicher, dass das dem Verein gelingen wird.“