Patrick Groetzki: Plötzlich der Depp der Nation

Vor dem Spitzenspiel bei der SG-Flensburg-Handewitt spricht Patrick Groetzki (23) mit Handball.de Mitarbeiter Oliver Jensen über die aktuelle Situation der Löwen, Auswärtsspiele in Flensburg und die Nationalmannschaft. Handball.de: Eine Niederlage gegen Hamburg, ein glückliches Unentschieden gegen Lemgo. Geht den Löwen in der Bundesliga nun die Puste aus, Herr Groetzki?
Groetzki:
 Natürlich waren diese beiden Spiele nicht auf dem Niveau der Hinrunde. Das hängt einmal mit der Belastung aus dem Europapokalwettbewerb zusammen. Nicht alle Spieler sind frisch gewesen. Aufgrund unser Verletzungsausfälle können wir nur wenig wechseln. Außerdem hat uns speziell in der Abwehr die Aggressivität gefehlt. Aber es gab auch bessere Spiele. Beim Sieg gegen Kolding war unsere Leistung ähnlich wie in der Hinrunde.“  Handball.de: Lässt sich der Ausfall von Uwe Gensheimer nicht kompensieren? 
Groetzki: „Gleichwertig ersetzen lässt er sich nicht. Uwe ist für mich einer der drei besten Linksaußen der Welt. Zumal er unser Kapitän ist. Aber Stefan Sigurmannson macht seine Sache sehr ordentlich. Kürzlich war er in der Bundesliga noch gänzlich unbekannt. Er hat sich gut entwickelt, macht fast alle seine Dinger rein. Das Problem ist eher der Ausfall von Kim Ekdahl Du Rietz. Auf dieser Position fehlen uns eher die Wechselalternativen.“ Handball.de: Gegen Lemgo hat die 5-1 Deckung mit Ihnen vorne gut funktioniert. Könnte das auch ein Schlüssel gegen den starken Angriff von Flensburg sein? 
Groetzki: „Ich denke, dass unsere 6-0 Abwehr weiterhin unsere erste Variante bleiben wird. Was in 20 Spielen gut funktioniert hat, muss man nicht sofort über Bord werfen, nur weil es zweimal weniger funktionierte. Aber es ist eine gute Alternative. Eine Bundesligamannschaft muss auf jeden Fall zwei Abwehrsysteme beherrschen.“ Handball.de: Flensburg ist für ihre Heimstärke bekannt. Welche Erinnerungen haben Sie an die Spiele in der Flens-Arena?
Groetzki: „Dort herrscht immer eine heiße Atmosphäre. Die Halle ist bei fast jedem Heimspiel ausverkauft. Die Zuschauer stehen voll hinter ihrer Mannschaft. Einerseits macht es sogar für die Auswärtsmannschaft Spaß, dort zu spielen. Die Atmosphäre ist super. Andererseits ist es schwer dort zu gewinnen. Flensburg hat nicht ohne Grund alle Bundesligaspiele dieser Saison vor heimischem Publikum gewonnen. Meine einzige positive Erinnerung an Spiele in Flensburg ist schon einige Jahre her. In der Saison 2008/2009 haben wir dort innerhalb von zwei Wochen zweimal hintereinander gewonnen, einmal in der Liga und einmal im Pokal.
Handball.de: Nach Flensburg steht ein weiteres schweres Spiel gegen Hannover-Burgdorf an. Sind das nun richtungweisende Wochen?
Groetzki: Auf jeden Fall. Nun wird entschieden, wer sich vorne halten kann und wer noch abrutscht. Hannover wird sehr schwer. Natürlich ist es ein Vorteil, dass wir zu Hause spielen. Aber Hannover hat sogar in Hamburg einen Punkt geholt, hätte sogar gewinnen können.“ Handball.de: Die Löwen stehen aktuell auf dem zweiten Tabellenplatz. Schauen Sie in der Tabelle eher nach oben oder nach unten?
Groetzki:
 „Wir haben momentan so viele Spiele, dass wir gar keine Zeit haben, auf die Tabelle zu schauen.“  Handball.de: Dann frage ich anders: Ist die Meisterschaft ein Thema? 
Groetzki: „Bei allen guten Leistungen wollen wir realistisch bleiben. Der THW Kiel ist der haushohe Favorit. Besonders in der Breite sind wir nicht so gut besetzt wie Kiel. Daher werden sie auch die Meisterschaft holen. Wir wollen wieder auf die Erfolgsspur der Hinrunde zurückfinden. Für uns ist jedes Spiel eine große Aufgabe. Wir sind nicht wie Flensburg-Handewitt, die sich zum Beispiel gegen Wetzlar leicht getan haben. Bei uns muss jeder Spieler für jeden Punkt hart arbeiten.“ Handball.de: Und was ist das Saisonziel? 
Groetzki: „Wir wollen uns für die Champions League qualifizieren.“ Handball.de: Und im EHF-Cup ist der Titel das Ziel? 
Groetzki: „Unser Ziel ist das Final-Four. Sollten wir das erreichen, möchten wir natürlich auch den Cup gewinnen. Es wäre ein Traum, wenn es endlich mit einem Titel klappen würde.“ Handball.de: Lässt sich das Niveau im EHF Cup mit dem in der Champions League vergleichen? 
Groetzki: „Natürlich ist die Champions League eine ganz andere Welt. Wobei die Spiele gegen Kolding-Kopenhagen durchaus Champions League Niveau hatten. Wenn man jedoch sieht, dass Kopenhagen gegen Presov mit 20 Toren gewann, zeigt das den qualitativen Unterschied innerhalb des EHF Cups. (Auch die Löwen gewannen mit 36:20, d.Red.) Andererseits gibt es so etwas in der Champions League ebenfalls.“ Handball.de: In den vergangenen Jahren wurde viel Geld in die Mannschaft gepumpt. Warum sind die Löwen jetzt, wo auf die Sparbremse getreten werden musste, erfolgreicher als zuvor? 
Groetzki: „Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Mit Alexander Petersson und Kim Ekdahl Du Rietz haben wir zwei Neuzugänge, die voll eingeschlagen haben. Besonders bei Kim war das in seinem ersten Bundesligajahr nicht zu erwarten. Ich denke, unsere Mannschaft passt von den Typen gut zusammen. Auf jeder Position gibt es Leute, die vorangehen und Spiele entscheiden wollen. Außerdem sind die Leute, die nicht neu waren, bereits seit Jahren ein eingeschworener Haufen. Wir identifizieren uns mit dem Verein. Dieser Geist wurde an die Neuzugänge weitergegeben. Wir haben uns vor der Saison gegenseitig versprochen, dass wir in jedem Spiel alles geben werden. Das ziehen wir nun durch.“ Handball.de: Lassen Sie uns abschließend noch einmal über die Nationalmannschaft sprechen. Wie blicken Sie den beiden Spielen gegen Tschechien im April entgegen? Die Nationalmannschaft benötigt drei Punkte, um sich aus eigener Kraft für die EM zu qualifizieren. 
Groetzki: „Das wird eine richtig schwere Aufgabe. Tschechien hat viele gute Spieler, die in der Bundesliga aktiv sind oder waren. Letztes Jahr bei der EM haben wir gegen sie verloren. Ich denke jedoch, dass wir uns seitdem weiterentwickelt haben. Diesen Weg wollen wir weiterführen. Wenn ich sehe, wie die Jungs gerade gegen die Schweiz aufgetreten sind, müssen wir uns auch vor Tschechien nicht verstecken.“ Handball.de: Letzte Frage: Wie lange hat es bei Ihnen gedauert, bis Sie das WM-Ausscheiden gegen Spanien verdaut hatten? Nach dem Spiel schienen Sie sich wegen Ihrer vergebenen Torgelegenheiten Vorwürfe zu machen. 
Groetzki: „Das war eine ganz bittere Erfahrung für mich. Das waren zwei Würfe, die ich normalerweise reinmache. Auf einmal war man der Depp der Nation. Es wurde nur noch über diese beiden Würfe geredet. Damit muss man leben, wenn man im Fokus steht und ein gewisses Risiko eingeht. Aber es fühlte sich nicht gut an. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich das verarbeitet hatte. Ich muss sogar sagen: Es ist richtig schwierig gewesen, sich danach wieder auf die weiteren Aufgaben zu konzentrieren. Mittlerweile aber habe ich das nicht mehr im Kopf.