Michael Kraus: Früher habe ich mich gefragt, warum alle auf mir herumhacken

Im zweiten Teil unseres Interviews (zum Teil 1) spricht Michael Kraus über die Nationalmannschaft, über die Kritik der Öffentlichkeit und seinen Autounfall. Handball.de: Herr Kraus, sprechen wir über die Nationalmannschaft. Wie enttäuscht waren Sie, nicht bei der EM dabei sein zu können? Kraus: Ich habe vor der Europameisterschaft mit Martin Heuberger telefoniert. Wir kennen uns schon rund zehn Jahre. Er war mein Junioren-Nationaltrainer. Ich habe ihm offen und ehrlich gesagt, dass ich von meiner optimalen Fitness meilenweit entfernt bin. An der Europameisterschaft 2010 in Österreich hatte ich teilgenommen, obwohl ich nicht fit war. Danach brach alles auf mich ein. Ich stand sehr in der Kritik. Das war der Horror. Das wollte ich diesmal einfach verhindern. Ein angeschlagener Kraus hilft der Nationalmannschaft nicht weiter.“ Handball.de: Ist die deutsche Nationalmannschaft so schlecht, wie das Abschneiden bei den letzten Großturnieren vermuten lässt? Kraus: Ich glaube nicht. Einige Spiele gingen sehr knapp verloren. Hätten wir teilweise etwas mehr Glück gehabt, wären wir für die Olympischen Spiele qualifiziert gewesen und niemand würde von einer Krise sprechen. Handball.de: Vielleicht hat die Nationalmannschaft nicht ausreichend Qualität. Kraus: „Das denke ich nicht. Die jüngsten Ergebnisse waren gut. Ich möchte nicht behaupten, dass wir demnächst Welt- oder Europameister werden. Aber wenn die Zeichen gut stehen, können wir für eine Überraschung sorgen. Davon bin ich überzeugt.“ Handball.de: Die Rücktritte von Pascal Hens, Johannes Bitter und Christian Sprenger sind dabei nicht hilfreich. Kraus: "Natürlich. Aber diese Entscheidungen muss man akzeptieren. Es ist glücklicherweise nicht so, dass im deutschen Handball keine guten Spieler nachkommen." Handball.de: Aber wird es dem deutschen Nachwuchs nicht zu schwer gemacht, in der Bundesliga Erfahrung zu sammeln? Kraus: "Sicherlich brauchen junge Spieler das Vertrauen des Trainers, um den Sprung zu schaffen. Ich hatte das Glück, dass mir damals ein Trainer dieses Vertrauen geschenkt hat. Es wäre wichtig, viel mehr junge Spieler ins kalte Wasser zu werfen. Unser Nachwuchs kann Handball spielen und hat eine gute technische Ausbildung. Es braucht nur eine gewisse Zeit, um sich an die Härte in dieser Liga zu gewöhnen. Dafür muss man spielen, spielen, spielen. Es ist völlig normal, dass das nicht gleich bei einem Top-Verein möglich ist. Dort steht zuviel auf dem Spiel." Handball.de: Zurück zu ihrer Person. Haben Sie das Gefühl, von der Öffentlichkeit besonders kritisch beobachtet zu werden? Kraus: "Natürlich, das ist bekannt und damit kann ich umgehen. Man braucht sich überhaupt nicht zu wehren. Die Medien schreiben was sie möchten. Es wäre die falsche Reaktion, alles richtigstellen zu wollen. Sollen die Medien schreiben was sie wollen. Ich sehe es auch als Kompliment. Der Anspruch an meine Person ist so hoch, weil man mir viel zutraut." Handball.de: Mussten Sie sich an die viele Kritik erst einmal gewöhnen? Kraus: „Früher habe ich mich schon gefragt, warum alle auf mir herumhacken. Warum werde ich immer namentlich erwähnt, wenn es schlecht läuft? Aber wie gesagt, ich kann mittlerweile damit umgehen.“ Handball: Aber ansonsten genießen Sie es, in der Öffentlichkeit zu stehen, oder? Immerhin haben Sie schon im Alter von 16 Jahren an der Bravo-Wahl teilgenommen und wurden zum Boy des Jahres gewählt. Kraus: „Das ist richtig. Ich stehe gerne in der Öffentlichkeit. Es macht mir Spaß und ich fühle mich nicht fehl am Platz.“ Handball.de: Wenn Sie in die Zukunft blicken: Sehen Sie sich wieder als ein fester Bestandteil der Nationalmannschaft? Kraus: „In meiner jetzigen Situation ist das schwer zu sagen. Natürlich möchte ich zurück in die Nationalmannschaft. Allerdings nur, wenn ich zu 100 Prozent fit bin. Ich habe auch mit dem Bundestrainer darüber gesprochen. Wenn ich zurückkomme, denken schnell alle, dass nun alles besser wird. Sollte das dann nicht so sein, kriege ich wieder einen auf den Deckel. Das möchten wir verhindern. Martin Heuberger gibt mir daher die erforderliche Zeit.“ Handball.de: Themawechsel: Wie sehr hat Sie der Autounfall im vergangenen Sommer verändert? Sie sind mit einem Porsche von der nassen Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum gerutscht. Drei Monate später sind die Schiedsrichter-Brüder Bernd und Rainer Methe bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Kraus: „Das führt einen vor Augen, was für ein Glück ich letztendlich hatte. Es hätte viel schlimmer ausgehen können. Es mag sich banal anhören: Aber ich bin seitdem glücklich, einfach leben zu dürfen. Nach solch einem Unfall gehen einem schlimme Gedanken durch den Kopf. Es beschäftigt einen sehr. Ich wünsche niemandem, so etwas durchzumachen. “ Handball.de: Aber Sie haben eine Schwäche für schnelle Autos, oder? Kraus: „Das ist richtig. Aber ich bin niemand, der sich mit schnellen Autos profilieren möchte. Den Porsche bin ich nur gefahren, weil ein Sponsor mir das Auto ein halbes Jahr zur Verfügung gestellt hat.“ Handball.de: Und seit dem Unfall fahren Sie nur noch Smart? Kraus: „Ich habe tatsächlich einen Smart. Aber eigentlich fahre ich Renault, weil ein guter Freund in Göppingen in einem Renault-Autohaus arbeitet.“ „